Pressemitteilung vom 9. April 2023
Nächtlicher Hilfseinsatz von RESQSHIP e.V. endet mit zwei Leichen an Bord des Segelschiffs – für insgesamt 23 Menschen kommt jede Hilfe zu spät.
In der gestrigen Nacht traf die Crew des Schiffes Nadir von RESQSHIP e.V. auf 24 Menschen, die bereits zwei Stunden hilflos im Wasser geschwommen waren. Die Crew konnte mit vereinten Kräften 22 Überlebende retten und zwei Leichen bergen. Etwa 20 Personen ertranken bei dem Unglück. In den 48 Stunden zuvor leistete die Crew der Nadir bereits sieben Booten in Seenot mit insgesamt über 300 Insassen Hilfe, wobei eine Person nur tot geborgen werden konnte.
In der Nacht auf den Ostersonntag bat die italienische Küstenwache das Segelschiff Nadir von RESQSHIP e.V. um Hilfe bei der Suche nach Schiffbrüchigen auf der Route von Tunesien nach Lampedusa. Das Boot sei gekentert und eine unbekannte Anzahl an Personen befände sich im Wasser. Nach einer Stunde Suchen im Dunkeln, wurden die Menschen vom Wind weit auseinandergetrieben gefunden. Die Crew der Nadir leitete sofort alle nötigen Rettungsmaßnahmen ein und konnte trotz widriger Umstände 22 Überlebende retten und zwei Tote bergen – für sie kam jede Hilfe zu spät. Am Nachmittag erreichte das Segelschiff mit den Geretteten die Insel Lampedusa, wo alle von Bord gehen konnten.
„Wir konnten sie in der Dunkelheit überhaupt nicht sehen, wir nahmen sie nur durch ihre verzweifelten Hilferufe wahr“, beschreibt Martin Kolek, Crewmitglied an Bord der Nadir, die Situation vor Ort. Die Überlebenden berichten, dass sie bereits am Samstag in den frühen Morgenstunden in Tunesien abgelegt hätten und ihr Boot zwei Stunden vor Ankunft der Nadir gekentert sei.
Unter den Überlebenden befinden sich auch Verwandte der Verstorbenen, die sich auf der stundenlangen Fahrt nach Lampedusa an Deck der Nadir um ihre Familienangehörigen versammelten. „Nach mehreren Stunden im Wasser zeigten alle Menschen deutliche Todesangst. Die hinzukommende Unterkühlung führte zu ausgeprägter Desorientiertheit mit starker körperlicher Schwäche und mangelnder Kreislaufstabilität“, so Katja Friedel, Ärztin an Bord der Nadir. Eine schwangere Frau, die sich seit Stunden in kritischem Zustand befunden habe, überlebte den Kampf gegen das Wasser nur knapp. Sie brauche nun dringend medizinische Hilfe an Land.
Die Nadir befindet sich derzeit auf ihrer ersten Beobachtungsmission in diesem Jahr. Dies war bereits ihr achter Rettungseinsatz innerhalb von 48 Stunden. In kürzester Zeit konnte die Crew der Nadir in Zusammenarbeit mit der italienischen Küstenwache bereits über 300 Menschen auf der Flucht vor dem Tod im Mittelmeer bewahren, wobei sie erst wenige Stunden zuvor einen Tod bezeugen musste. Während Europa das Osterfest feiert, folgt eine Tragödie auf dem Mittelmeer der nächsten. Wie die Crew der Nadir berichtet, sei die italienische Küstenwache vollkommen überlastet, aufgrund der vielen Menschen, die sich in seeuntüchtigen Booten auf den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer nach Europa machen. Im Stundentakt werden derweil neue Seenotfälle gemeldet. Die Nadir ist das einzige Schiff einer zivilen Organisation, das aktuell im zentralen Mittelmeer im Einsatz ist.
Bildnachweis: RESQSHIP / Thorsten Kliefoth