News vom 27. April 2022:
Wenn am 28. April um 12 Uhr mittags im Hafen von Lampedusa oder wo auch immer im Mittelmeer zivile Seenotrettungsorganisationen die Sirenen ihrer Schiffe ertönen lassen, ist dies ein Ruf nach Frieden. Sie kommen damit der Bitte von Totò Martello, Bürgermeister von Lampedusa und Linosa nach, der mit dieser symbolischen Geste den Auftakt zu der von ihm ins Leben gerufenen „Journey for Peace“ bilden möchte.
Der Aufruf des Bürgermeisters von Lampedusa
„Es wäre eine große und außergewöhnliche Geste: eine Möglichkeit, dieses Treffen für den Frieden an einem symbolträchtigen Ort wie Lampedusa zu feiern und mit der ‚Stimme der Schiffe‘ einen aufrichtigen und kraftvollen Ruf nach Frieden zu erheben.“
Mit diesen Worten wandte sich Martello an die zivilen Seenotrettungsorganisationen, und weist in seinem Brief darauf hin, dass wir alle unseren Teil dazu beitragen müssen, ein Zeichen gegen den Krieg zu setzen.
Totò Martello, Bürgermeister von Lampedusa und Linosa
Journey for Peace
Mit der „Journey for Peace“ will Martello die Rolle von Lampedusa ändern: Die Insel soll vom Objekt und Opfer eines Mechanismus der Flucht und Verzweiflung, der aus einer Komplexität von Szenarien resultiert, zum Subjekt und Protagonisten eines Mechanismus der politischen Initiative verwandelt werden, der das Fehlen von Frieden als Ursache oder Folge eben dieser Szenarien ansieht und der in diese eingreift.
Vier wesentliche Elemente hat der Bürgermeister für die „Journey for Peace“ geplant:
- Die ehemalige Militärbasis Loran soll in ein internationales Friedenszentrum umgewandelt werden. Dort soll eine Universität, ein Postgraduiertenprogramm und ein großer Gartenpark für zeitgenössische Kunst entstehen.
- Jährlich soll eine Veranstaltung zum Thema Frieden auf der Insel stattfinden (dieses Jahr am 28. April und eine Folgeveranstaltung Ende Juni), die mit einem internationalen institutionellen Forum als auch mit einer großen Kunstausstellung verbunden ist.
- Ein Rundgang zu Natur- und Baudenkmälern auf der Insel soll entstehen. Dieser Rundgang soll auf einer neuen Erzählung der Insel basieren und ist dem Thema Frieden gewidmet.
- Die Gemeinschaft soll durch bestimmte Projekte (z.B. mit Schulen) einbezogen werden.
Auftakt am 28. April 2022
Starten wird die „Journey for Peace“ mit einer Auftaktveranstaltung am 28. April, an der u. a. Gemeinden, nationale und regionale Institutionen und internationale Organisationen sowie die Zivilgesellschaft teilnehmen – alle, die glauben, einen Beitrag zum Nachdenken und zum Aufbau eines echten Friedensprozesses leisten zu können, indem sie Zeugnis von ihrer Menschlichkeit ablegen.
Unterstützung und Aufruf von RESQSHIP und anderen NGOs
Wir sind beeindruckt von dieser Initiative und unterstützen sie gemeinsam mit anderen zivilen Akteuren auf See. So werden wir zum einen die Schiffssirene der Nadir am 28. April um 12 Uhr ertönen lassen (voraussichtlich wird die Nadir dann bereits im Einsatzgebiet im Mittelmeer unterwegs sein). Darüber hinaus hat RESQSHIP zusammen mit weiteren Seenotrettungs-NGOs folgenden gemeinsamen Aufruf unterzeichnet:
Lampedusa als Insel des Friedens
Sicherheit und Rettung, ja! Hotspot und Militarisierung, nein!
Wir sind beeindruckt von der Initiative des Bürgermeisters von Lampedusa und Linosa, Totò Martello, der die Inseln in eine „Reise für den Frieden“ einbinden will – ein visionärer Prozess für die Menschheit, der auch alle zivilen Akteure auf See einbezieht.
Wir glauben an Lampedusa als „rettende Insel“, als natürlichen Landeplatz für Tausende von Frauen, Männern und Kindern, die das Meer überqueren, um zu migrieren oder vor unmenschlichen Bedingungen zu fliehen. Aber wir müssen zwei wichtige Dinge unterscheiden und voneinander trennen: Menschen zu retten bedeutet nicht, Menschen in Lagern oder Hotspots zu halten. Wie wir an der Behandlung von Flüchtlingen aus der Ukraine sehen können, ist es eine mögliche politische Entscheidung, Menschen sich frei in ganz Europa bewegen zu lassen, wo sie Verwandte und Freunde oder andere Kontakte haben, die es ihnen ermöglichen, aufgenommen zu werden und auf die bestmögliche Weise zu leben.
Wir sehen, wie schrecklich die gegenteilige Situation sein kann, wie z. B. auf den griechischen Inseln wie Lesbos oder Samos, wo Menschen auf der Flucht in riesigen Lagern monatelang oder sogar jahrelang festgehalten werden und wo eine permanente Krisensituation politisch und künstlich geschaffen wird. Das Hotspot-System – die Verwandlung von Grenzinseln in militarisierte Notstandsgebiete – kann niemals akzeptiert werden. Und auf Lampedusa sollte es durch den „Weg zum Frieden“ überwunden werden.
Als konkreten Schritt in diese Richtung unterstützen wir die Forderung des Bürgermeisters, die Quarantäneschiffe in Fähren umzuwandeln. Die italienische Regierung hat den Einsatz der Quarantäneschiffe bis zum 30. April 2022 verlängert. Für diese Schiffe gab es nie einen triftigen sanitären Grund zur Bekämpfung der Pandemie. Vielmehr wurden sie als schwimmende Hotspots genutzt. Sie verschärfen die Diskriminierung bei der Behandlung von Migranten, die auf dem Meer gerettet werden oder nach langen und gefährlichen Überfahrten an der italienischen Küste ankommen, auch in Bezug auf Covid. Der Vorschlag des Bürgermeisters, sie wieder als Fähren zu nutzen, um die rasche Überführung der Menschen nach Sizilien zu erleichtern und die Vermehrung permanenter Notsituationen auf der Insel zu vermeiden, ist von entscheidender Bedeutung, um das Recht auf Rettung mit dem Recht auf rasche Umsiedlung und menschenwürdige Aufnahme zu verbinden, auch wenn es sich um eine große Anzahl handelt.
Wir brauchen ein einladendes Lampedusa und nicht eine militarisierte Insel mit einem geschlossenen Flüchtlingslager. Wir brauchen und fordern einen friedlichen Anlande- und Überbrückungspunkt mitten im Mittelmeer.
Daher rufen wir alle Menschenrechtsorganisationen und alle Vereinigungen für die Rechte von Migranten auf, die Veranstaltung am 28. April zu unterstützen und mit realen und digitalen Sirenen den Beginn einer „Reise zum Frieden“ durch die Inseln Lampedusa und Linosa und ihren Bürgermeister zu verstärken.
Die Nadir war bereits im Einsatzgebiet im zentralen Mittelmeer, weit südlich von Lampedusa. Von dort ließ die Crew am 28. April 2022 die Schiffssirene ertönen und bedankt sich bei Totó Martello für seine Initiative.
Im August 2021 trieb dieses überfüllte Boot manövrierunfähig vor der Küste Lampedusas an der Nadir vorbei. Die Crew alarmierte die italienische Küstenwache, die kurz darauf die Menschen rettete. (Siehe dazu den Missionsbericht der Crew.)