Crew-Bericht zur Mission 1/2022:
Ende April startete die erste RESQSHIP-Beobachtungsmission in diesem Jahr. Der ursprünglich für Anfang April geplante Einsatzbeginn musste aus verschiedenen Gründen verschoben werden – die Reparaturarbeiten aus der Winterwerft zogen sich länger als geplant hin und dann brachte Corona eine weitere Verzögerung. Am Montag, den 25. April 2022, brach die Nadir schließlich zu ihrer erster ersten Beobachtungsmission 2022 in Richtung zentrales Mittelmeer auf.
Zwei Wochen war die siebenköpfige Besatzung unterwegs. Der gesamte Einsatz war von Starkwind- und Schwerwetterperioden geprägt. Vereinzelt gab es kurze Zeitfenster mit wenig Wind und ruhigem Seegang, welche eine Abfahrt für Boote aus Libyen realistisch gemacht hätten. Die Crew erfuhr während der gesamten Einsatzzeit von zwei Fällen von Booten mit Geflüchteten in Seenot. Diese konnten von den großen Schiffen anderer NGOs gerettet werden.
Rettungsmanöver üben
In den ersten zwei Tagen nach dem Auslaufen waren die Seebedingungen noch ruhig. So übte die Crew das Zuwasserlassen des Beibootes und Rettungsmanöver inklusive der Bergung eines bewusstlosen Menschen aus dem Wasser. An Bord folgte eine Auffrischung in medizinischen Notfallmaßnahmen (stabile Seitenlage und Herzdruckmassage).
Ab dem dritten Tag begann das Wetter umzuschlagen mit Windstärken 4 bis 5 und Wellen bis 1,5 Meter, welche später auf 8 bis 9 Windstärken und 4 Meter Wellen anstiegen. Die Crew suchte Schutz im Südwesten. Am 28. April um 12 Uhr mittags ließ die Crew die Schiffssirene der Nadir ertönen und kam damit der Bitte von Lampedusas Bürgermeisters Totò Martello nach, der damit die „Journey for Peace“ einleiten wollte.
Am 2. Mai stabilisierten sich die Seebedingungen wieder, so dass die Nadir zurück in das SAR-Gebiet nördlich von Tripolis fahren konnte. Während des Einsatzes stand die Crew in stetem Kontakt mit Sea-Eye und Sea-Watch, deren Schiffe auch in dem Gebiet patrouillierten.
Die Sea-Eye 4 berichtete, am frühen Morgen des 4. Mai in internationalen Gewässern, 30 Seemeilen von der libyschen Küste entfernt, von einem Schiff der libyschen Küstenwache bedrängt und zum Verlassen des Gebiets aufgefordert worden zu sein. Am Nachmittag entdeckte die Sea-Watch 4 unweit der Position der Nadir (ca. 20 Seemeilen südlich) ein Boot in Seenot mit 57 Geflüchteten und konnte diese erfolgreich retten.
Starkwind, hohe Wellen und Saharastaub
Am Abend zog erneut Starkwind auf. Die Nadir hatte mit bis zu vier Meter hohen Wellen zu kämpfen, weshalb sich die Crew entschloss, Schutz vor der Insel Djerba zu suchen. In der Nacht nahm der Wind noch zu und beanspruchte in hohem Maße die Ressourcen von Besatzung und Schiff. Erst am nächsten Mittag beruhigte sich die Wetterlage etwas. Bei Tagesanbruch brachte Saharawind aus dem Süden viel Sand an Bord der Nadir.
Pushback nach Libyen
Nach Absprache mit den anderen NGO-Schiffen, die weiter im Süden blieben, und weil für die darauffolgenden Tage wieder schlechteres Wetter vorhergesagt worden war, entschied sich unsere Crew, am nächsten Tag (5. Mai) einen Teil der Rückfahrt in Richtung Lampedusa anzutreten. Auf der Fahrt Richtung Norden wurde die Besatzung über Funk Zeuge eines Vorfalls unter Beteiligung eines türkischen Kriegsschiffes, welches die sogenannte libysche Küstenwache über ein „illegales Boot“ informierte. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um in Seenot geratenes Boot mit 17 Menschen an Bord, die dann von der libyschen Küstenwache nach Libyen zurückgebracht wurden (also ein völkerrechtswidriger Pushback, bei dem das türkische Kriegsschiff offensichtlich mitgewirkt hatte).
Bis fünf Meter Wellen
Am Freitagabend (6. Mai) suchte die Nadir im Hafen von Lampedusa Schutz vor wieder zunehmenden Wellen (bis zu fünf Metern). Am Abend des 8. Mai trat die Crew die Rückreise nach Malta an, wo sie am darauffolgenden Tag ankam. Die folgenden Tage im Hafen nutzte die Besatzung, um kleinere Reparaturen am Schiff durchzuführen und es somit für die nächste Mission einsatzbereit zu machen.
Die Crew ist mit dem Verlauf des Einsatzes trotz erschwerter Seebedingungen sehr zufrieden. Alle Crewmitglieder sind überzeugt von der Wichtigkeit dieser Beobachtungsmission und froh, vor Ort und zu jeder Zeit einsatzbereit gewesen zu sein.
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