„Als wir das stark überfüllte Boot gefunden hatten, ragten die Seitenwände nur zehn Zentimeter aus dem Wasser und die Insassen hatten bereits begonnen, Wasser zu schöpfen“, sagte Ingo Werth, Skipper auf der Nadir. Seine Crew begann daher sofort mit dem Verteilen von Rettungswesten. Dabei bemerkten sie auch ein sechs Monate altes Baby, das sie zur Sicherheit an Bord des Segelschiffs nahmen, da das Stahlboot aufgrund der instabilen Bauweise und mit zunehmenden Wellen jederzeit kentern konnte. Als kurz darauf ein Schiff der italienischen Küstenwache eintraf und begann, die Menschen zu evakuieren, brach Panik unter den Insassen aus. Das Stahlboot geriet aus dem Gleichgewicht, Wasser schwappte über die Bordwand hinein und das Boot ging in wenigen Sekunden unter. Erst 15 Menschen waren zu dem Zeitpunkt auf das Küstenwachschiff gebracht, die restlichen 30 waren plötzlich im Wasser und damit in akuter Lebensgefahr.
Mit vereinten Kräften konnten die Besatzungen der beiden Schiffe alle im Wasser schwimmenden Menschen retten. „Unser Beiboot war die ganze Zeit nahe am Geschehen und konnte deshalb schnell der letzten Person, die noch keine Rettungsweste hatte, eine Weste ins Wasser nachwerfen“, so Ingo Werth. „Unser Centifloat (ein neun Meter langer, aufgeblasener Rettungsschlauch) hatten wir bereits zu Wasser gelassen, sodass sich acht Menschen daran festhalten konnten.“ Anschließend übernahm das Küstenwachschiff alle zwischenzeitlich von der Nadir gesicherten Menschen sowie das an Bord genommen Baby und brachte sie nach Lampedusa.
Es war bereits das vierte Boot in Seenot, dem die Nadir auf der aktuellen Beobachtungsmission – die zweite in diesem Jahr – beistehen konnte. Zwei Mal musste sie Menschen selbst an Bord nehmen und nach Lampedusa bringen, weil die Kentergefahr aufgrund der hohen Wellen sehr groß war.